Die Fotos in diesem Buch wurden nicht gesucht oder gefunden. Sie sind organisch entstande aus dem, was wächst, fühlt, liebt, hasst, stirbt. Entstanden in Momenten, um die alles dreht. In Situationen die mir entgegen kamen: manchmal während eines Fotoauftrags, manchmal am Rande von Projekten, manchmal in alltäglichen Situationen. In diesen Momenten ging es mir nicht darum, mit der Erfahrung und den Mitteln von Konzeptionen, Bildsprachen und Inszenierungen Geschichten zu erzählen. Dann hätte ich mich auf das sichere Mittel der Zitate verlassen müssen, die Fotografien in einem bestimmten Kontext für den Betrachter lesbar machen. Die Welt ist voller Bildzitate, die sich wiederum zitieren und dabei gegenseitiges „Bescheid wissen“ simulieren. Die Fotos, die mir wichtig sind, „passieren gerade“ in den Momenten, in denen Ahnungen für Gefühle entstehen, die meist hinter Flächen und Schablonen verborgen sind.
Meine Fotografien haben kein Ziel, sie sind nicht fertig, zeigen keine Probleme auf und wandeln sich im Blick der Zeiten, Moden und Betrachter. Auch wenn ich Bilder oder Texte benutze, um etwas zu sagen, weiss ich doch: Es geht nicht um Bilder oder Texte, sondern um Ahnungen. Wir spüren oft, was wir fühlen, und versuchen manchmal, auf einer anderen Ebene, das Gefühlte mit Worten, Klängen oder Bildern zu beschreiben.
Die Fotografien in „Ecce Homo“ zeigen Ahnungen davon, dass viel mehr in mir vorhanden ist, als ich glauben, beschreiben und abbilden kann. Das wird mir besonders deutlich, wenn ich das Schreckliche im Schönen und das Schöne im Schrecklichen entdecke. Manchmal ist das wunderbar, manchmal macht es Angst und häufig verdichtet sich ein Gefühl dafür, etwas in sich gefunden oder von sich verloren zu haben. Bilder zeigen nur eine Oberfläche und offenbaren nur das, was sie sind: Bilder. Es ist der Blick, der entscheidet, ob etwas gesehen wird, so wie zwei Menschen sich in den Blicken erkennen, die sie zu Liebenden machen.