Fotografien sind Gleichungen, die in Interaktionen mit meinen Wirklichkeiten und der Realität aufgehen können. Bilder beschreiben Vergangenes und sind daher, was sie sind: als Bilder gegenwärtig und nicht die Dinge selbst, die sie abbilden. Im Verlauf der Zeit löscht ein Bild ein anderes aus. Ohne das Vergehen von Bildern gibt es keine Energie für neue Bildfindungen. Bilder leben vom stetigen Vergehen und wieder Auferstehen. Ein Kreislauf wie in der Natur und allem was lebt.
Bilder die mich berühren, beruhen auf Fähigkeiten der Bildermacher, eigene Empfindungen als Beobachtungen zu fixieren. Sorgfältige Unterscheidungen zwischen Beobachtungen und Bewertungen ermöglichen eine visuelle Basis für den ambivalenten Wahrheitsbegriff in der Fotografie. Bewertungen können zu Umleitungen werden, in denen das Bewusstsein eine erwartete Gegenwart weiträumig umfährt. Beobachtungen hingegen führen geradewegs über die Aufmerksamkeit zur Betrachtung. Immer wieder offenbaren sich Augenblicke der Beobachtung und Betrachtung als Stille im Sucher meiner Kamera.
Bildmodelle stellen Fragen und provozieren Antworten. Fotografien die keine Fragen stellen oder Antworten provozieren, verbleiben in der Abteilung Dekoration und Illustration. Das Modellhafte in Fotografien wird deutlich durch individuelle Bildsprachen, die in einem spezifischen Kontext lesbar werden. Ob das gelingt, entwickelt sich aus der Interpretationsfähigkeit des Bild-Modells. Wirklichkeit ist eine Behauptung, der Konsens dazu liegt in der Mitte, also dort, wo diese, als eine Fiktion individueller Wahrnehmung verstanden wird: „Als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende“ (2.Kor.5,7).