Vortrag am 13. Oktober 2019 - Eröffnung / Vernissage
„Ewig dieser Augenblick“
Ewigkeit und Augenblick haben eines gemeinsam. Sie sind zeitlos. Wir können sie nicht festhalten, nicht messen, nicht planen. Ewigkeit erscheint uns in der Zeit als abstraktes Etwas. Wenn es um Ewigkeit oder Augenblicke geht, geht es zugleich auch um unsere Zeit hier auf dieser Welt. Es geht um die Auswirkungen der Zeit auf unsere Lebenszeit. Es geht um unsere Vorstellungen über die Zeit als Ewigkeit. Um unsere Fähigkeiten, die wesentlichen Augenblicke in Zeit zu erkennen und zu erleben, bevor sie vergangen sind.
Raum. Zeit. Ewigkeit. Da geht es um unsere Existenz. Mit den „ewigen Fragen“ der Philosophie: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?
Ein poetisches Symbolbild der vergehenden Zeit zeigt eine antike Wasseruhr mit einer Nymphe, die den vergehenden Stunden viele Tränen nachweint.
Zweitausend Jahre später trocknet der Musiker Miles Davis die Tränen der Nymphe mit seiner Erkenntnis: “Zeit ist nicht das Wichtigste. Sie ist das Einzige!” Damit meint er, dass wir nur eine einzige Zeit haben, unsere Lebenszeit. Die können wir bemessen, planen, konstruieren. Hier gibt es unzählige Varianten, Vorschläge, Ratschläge, wie diese Zeit verteilt werden kann. Denn was wir auch immer tun, die Zeit vergeht so schnell oder langsam, wie sich unsere Bewertung der Zeit ändert. Und noch etwas spüren und erahnen wir. Etwas, das Ewigkeit und Augenblick gemeinsam haben. Ewigkeit und Augenblick sind zeitlos. Doch was ist sie dann die Zeit? Wir könnten auch wie der Kirchenvater Augustinus antworten: „Wenn mich niemand danach fragt was Zeit ist, weiß ich es. Wenn ich es aber einem, der mich fragt, erklären sollte, weiß ich es nicht.“
In unseren aktuellen Lebenssituationen suchen wir eher nach Klarheit darüber ob wir im selbstbestimmten Rhythmus der eigenen Lebenszeit leben oder uns in funktionalen Zeitvertaktungen befinden, die andere vorgeben und bestimmen.
Wir können “die Zeit” am Sichtbarsten in Bildern erfassen. Das tägliche Bild im Spiegel in den wir schauen zeigt gnadenlos das Vergehen der Zeit. Oder denken Sie an die Augenblicke die sie über Bilder erinnern und zugleich mit einer bestimmten Zeit verbinden.
Und natürlich verstehen wir Zeit auch über Kunstwerke oder über Symbole die sich tief in unser Bewusstsein eingebrannt haben.
Wir alle glauben zu wissen, was Zeit ist. Sobald wir aber versuchen, sie ins Verhältnis zu unserem subjektiven Zeitempfinden zu setzen, verwickeln wir uns in Schwierigkeiten und Widersprüche. Manchmal „hinken wir der Zeit hinterher“, manchmal „fühlen wir uns der Zeit voraus“, manchmal “läuft uns die Zeit davon“, manchmal möchten „wir die Zeit zurückdrehen“.
Wir können sie nicht festhalten, nicht messen, nicht planen. Ewigkeit erscheint uns in der Zeit als abstraktes Etwas. Im Gegensatz zu spirituellen oder philosophischen Gedanken über die Ewigkeit kann der Augenblick unser Leben, unsere Gefühle für lange Zeit prägen.
Intensität lässt den Augenblick lebendig werden. Menschen können sich erkennen in einem intensiven Augenblick und zu Liebenden werden. Ein richtiger oder falscher Augenblick kann ein Leben auf den Kopf stellen. Es gibt Augenblicke von denen wir uns wünschen, dass sie ewig dauern. Es gibt aber auch Augenblicke von denen wir uns wünschen, dass sie nie stattgefunden hätten.
Wir alle glauben zu wissen, was Zeit ist. Sobald wir aber versuchen, sie ins Verhältnis zu unserem subjektiven Zeitempfinden zu setzen, verwickeln wir uns in Schwierigkeiten und Widersprüche. Mit dem Ergebnis –
Manchmal – hinken wir der Zeit hinterher.
Manchmal – fühlen wir uns der Zeit voraus.
Manchmal – läuft uns die Zeit davon.
Manchmal – möchten wir die Zeit anhalten.
Manchmal – möchten wir die Zeit zurückdrehen.
Dabei hätten die meisten Menschen mehr Zeit,
wenn sie mit ihrer Lebenszeit so umgehen würden wie mit ihrem Geld.
Niemand würde sich freiwillig sein Geld so stehlen lassen wie seine Zeit.
Dazu schrieb der Stoiker Seneca vor zweitausend Jahren.
“Die Täuschung kommt daher, dass die Zeit etwas Unkörperliches ist und nicht mit den Augen wahrgenommen wird; daher die geringe Achtung, in der sie steht … man vergeudet sie, als ob sie nichts wert wäre.”
Für den Dichter Marcel Proust ist das Kunstwerk das einzige Mittel, die verlorene Zeit wiederzufinden. Durch innere Bilder, die zwischen Zeit und Raum zu finden sind.
Weil das aber im gewöhnlichen Alltag nicht immer so einfach gelingt, erschrecken wir zutiefst, wenn wir an die rasch vergehende Lebenszeit denken. Und wünschen uns mehr Zeit für das, was uns wirklich am Herzen liegt was uns in der Seele brennt.
Was wir auch immer tun, Zeit vergeht so schnell oder langsam, wie sich unsere Bewertung der Zeit ändert. Wir wissen, dass der gegenwärtige Augenblick der einzige Zeitraum ist, in dem sich das Leben abspielt. Ich kann mich nur jetzt, in diesem Augenblick, glücklich fühlen. Niemand käme auf die Idee, seine Zeit zu planen nach dem Prinzip: In drei Tagen will ich glücklich, hungrig oder traurig sein.
Entweder ich lebe diesen Augenblick oder ich lebe ihn nicht. Das klingt banal und wird doch regelmäßig vergessen. Kurzum: glücklich, kreativ, energievoll fühlen wir uns nur im gegenwärtigen Augenblick. Genau hier kann Kunst entstehen. Die Ewigkeit der Augenblicke besteht in den Augen-Blicken der Kunst. Entsteht aus dem Willen, der Freude, der Idee, der Leidenschaft, etwas in der Zeit, im Augenblick wahrzunehmen.
Um mit den Mitteln der Kunst seine eigene Wirklichkeit, sein “Verhältnis zur Welt“ zu erforschen.
Mein Verhältnis zur Welt besteht immer aus zwei verschiedenen Haltungen, zwei verschiedenen Menschen, zwei verschiedenen Gefühlen. Wir schaffen unsere persönliche, subjektive Welt in einem ewigen Zwiespalt des ambivalenten Denkens.
Das ist manchmal kompliziert, aber beinhaltet auch die Hoffnung nicht schicksalhaft an dieses eine Leben gefesselt zu sein, das gerade gelebt wird.
Gerade in der Kunst entsteht eine Energie, sich selbst und sein Leben anders zu denken.
Alles ist möglich. Alle Möglichkeiten sind offen. Kunst entstand aus den Bedürfnissen der Menschen die Ewigkeit, den Augenblick zu begreifen. Sichtbar zu machen.
Über Jahrtausende hinweg wurden aus religiösen oder spirituellen Abbildungen von Symbolen, Allegorien, Metaphern, Götter, Geistern und Heiligen im Laufe der Zeit, das, was wir heute durch künstlerische Darstellungen ausdrücken.
Schon vor über 30 000 Jahren entstanden detaillierte Tierdarstellungen in den Höhlen von Chauvet. Vor rund 20000 Jahren in den Höhlen von Lascaux und Altamira.
Die Tatsache, dass diese Fels-Zeichnungen im künstlichen Licht des Feuers gemacht wurden, also ohne natürliches Tageslicht, verweist auf die ersten Überwindungen „menschlicher“ Zeitvorstellungen. Durch die Unabhängigkeit von der Tageszeit.
Der künstlerisch tätige Mensch vermittelt Zeit, ohne dass wir sie erst verstehen müssten.
Er arbeitet nicht an der Zeit selbst, sondern an unseren Sichtweisen, unseren Empfindungen und Auffassungen von Zeit. Kunst gibt nicht die sichtbare Zeit wieder.
Kunst macht Zeit sichtbar. Durch innere Bilder, die zwischen Zeit und Raum zu finden sind.
Weil Zeit und Bilder, die sich denken lassen unsere innere Wirklichkeit spiegeln.
Was für eine Erkenntnis des bereits erwähnten Augustinus, der vor 1500 Jahren über Zeit, Augenblick und Ewigkeit nachgedacht hat:
“Die Zeit kommt aus der Zukunft,
die nicht existiert,
in die Gegenwart,
die keine Dauer hat,
und geht in die Vergangenheit,
die aufgehört hat
zu bestehen.”
Damit will er sagen, dass Zeit-Erkenntnis immer auch Selbsterkenntnis voraussetzt.
Dass die Arbeit an der Zeit immer auch Arbeit an sich selbst bedeutet. Es sind unsere Gedanken, die uns die Zeit als unerträglich oder als erfüllt erleben lassen. Unser Denken gaukelt uns vor, es gäbe etwas anderes, als das, was ist,
es gäbe etwas Vergangenes oder Zukünftiges. Doch es gibt nur das Jetzt. Alles andere ist Illusion. Auch in der künstlerischen Imagination gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft. Es gibt nur die Gegenwart. Kunstwerke zeigen nicht die Zeit selbst, sondern animieren unsere Wahrnehmungen dafür, über unsere einmaligen Lebenszeit nachzudenken. Kunst kann uns daran erinnern, dass ein offen gelebtes Leben aus intensiven Augenblicken besteht. Kunst kann uns unterstützen, den Augenblick zu schätzen
und bewusst zu ergreifen. Dabei können Augenblicke für das zeitlos Ewige entstehen.
Augenblicke in denen ich begreife, dass ich in diesem Leben nirgendwo ankommen werde.
So wie die Welle im Meer niemals ankommt, weil sie selbst das Meer ist.