Short-Task-Think
1  
Drehmomente
Das Drehmoment steht in der Physik für die Wirkung einer Energie auf einen Körper. Für die täglichen Momente der Impulse und Entscheidungen wurde das Drehmoment zu meiner Metapher für ein selbstbestimmtes Leben. Gezügelt von dem Gedanken, dass von einem Moment zum anderen alles anders sein kann.
2
Magie und Passion – Für Ingmar Bergman
In Ingmar Bergmans Filmen entdecke und erkenne ich Bilder meiner verborgenen Obsessionen. Sie passen nicht in das Bild, das ich von mir selber habe. Deswegen verkläre ich sie, um gleichzeitig mit ihnen zu leben.
3
Dem Leben die Lügen zurückgeben
Selbstbilder, Erwartungen, Lebenslügen beeinflussen mein Denken und Fühlen so, wie es die jeweilige Lebenssituation erfordert. Sie entwickeln sich als flexibles Filtersystem meiner Wahrnehmungen. Fast unbemerkt prägen sie meine Identität. Um nach kurzer Zeit als selbstverständlich oder wahr deklariert zu werden.
4
Gebrauchte Hindernisse
Das Angenehme am Älterwerden ist der entspannte Umgang mit der Zeit. Das ist eine Qualität, in der die Gegenwart bewusster und auch verstörender präsent ist. Schon allein deshalb, weil mir für meine verbleibende Lebenszeit eine feste Form für eine nicht mehr denkbare Zukunft fehlt.
5
Ungeborgenheit im Geborgenen
Begegnungen mit mir selbst, oft wie mit einem Fremden, sind vergleichbar mit einem Reisenden, der sich an einem fremden Ort befindet, ohne zu wissen, wie er zu dem Ort gelangt ist. Fremdheit als Status der Ungeborgenheit wurde zu einer Haltung, sich in einer als chaotisch empfundenen Welt zu orientieren.
6
Bildnis und Echo
In Goethes Roman «Wahlverwandtschaften» schreibt Ottilie in ihr Tagebuch: «Man unterhält sich manchmal mit einem gegenwärtigen Menschen als mit einem Bilde. Er braucht nicht zu sprechen, uns nicht anzusehen, sich nicht mit uns zu beschäftigen: wir sehen ihn, fühlen unser Verhältnis zu ihm, ja sogar unsere Verhältnisse können wachsen, ohne dass er etwas dazu tut, ohne dass er etwas davon empfindet, dass er sich eben bloß zu uns wie ein Bild verhält.»
7
Wir sehen, was wir sehen
Wenn ein blind geborener Mensch plötzlich sehend würde, was könnte er dann sehen? Wäre es ihm möglich, all das, was er über Sprachen, Gerüche, Vibrationen, Klänge, Tasten und Berühren wahrgenommen hat, zu verknüpfen mit dem, was er jetzt sieht? Könnte er mit seinen Augen eine Welt wahrnehmen, die er nie zuvor gesehen hat?
8
Erinnerungen an das Vergessen
Wieder eine Lebensgeschichte. Ich erinnere nicht mehr, wie viele ich gehört habe. Zweitausend oder mehr? Jeweils bei verschiedensten Porträtsitzungen vor meiner Kamera traf ich Menschen aus unterschiedlichsten Berufen, sozialen Verhältnissen und Systemen. Mit jeder neuen Erzählung wurde mir klarer, dass das «Leben an sich» eine Fiktion ist.
9
Selbst denken – oder denken lassen
Selbst in der Geborgenheit unter meiner Bettdecke kann der Schlaf nicht kommen, weil die Gedanken nicht loslassen. Mein Gedankenkarussell kommt nicht zur Ruhe. Lässt sich nicht abstellen. Immer wieder dreht dasselbe Thema in meinem Kopf seine sinnlosen Runden. In verschiedenen Fassungen und Deutungen. Ohne zu einem Abschluss zu kommen.
10
Letzten Endes wird von diesem Tage das bleiben,
was vom gestrigen blieb und vom morgigen bleiben wird:
Die unersättliche, nicht zähmbare Begierde,
immer derselbe und ein anderer zu sein.
Fernando Pessoa
11
Freiheit des Lebendigseins
Freiheit begann für mich durch die Befreiung von Zwängen meines beengenden Umfeldes in der Familie. Eine Befreiung, die stabilisierende Gefühle in mir erzeugte, die meine tiefe Sehnsucht nach innerer und äußerer Freiheit prägte
12
Anfang des Verschwindens
Eines frühen Morgens, wenn das erste Licht noch fahl durch den Spalt der Gardine schimmert, bleibst du liegen in deinem Bett. Du spürst tief, schmerzlich, mit leiser Furcht, dass du beginnst zu verschwinden.
13
Friedhöfe im Sommer
Unterwegs in Städten und Landschaften finde ich sie. Große, kleine, pompöse, archaische Orte. Friedhöfe. Meine Besuche der stillen Plätze des Friedens, der Geschichte, der Erinnerungen und Versöhnungen befreien Geist und Seele. Zeit erscheint ohne Gegenwart. Gelassenheit stellt sich ein. Im Kokon des Memento Mori relativieren sich intellektuelle Ausflüge.
14
Lebensfreundschaft – Für Albert Camus
Gerade mal zwanzig Jahre in der Welt, auf der Suche nach Antworten über den Sinn meines Daseins, begegnete mir Albert Camus mit seinem Buch «Der Mythos von Sisyphos». Ich tauchte ein in seine Gedanken, die mich von der quälenden Sinnfrage meines Lebens befreiten.
15
Wenn die Maske zum Gesicht wird
Freude, Liebe, Eros, Zuwendung, Ablehnung. Die Facetten meines Gesichtes rufen nach Schutz vor den Blicken anderer. Ich habe ja mein Gesicht weniger für mich, sondern mehr für die, die mich anschauen.
16
Gute Freunde stellen gute Fragen
Sich Zeit nehmen für das Wechselhafte, Werdende und Ungelöste, ohne den Druck zu schnellen, vorgefertigten Antworten. Die folgenden Fragen sollen zu kurzem Innehalten animieren. Ohne die Notwendigkeit einer Antwort, die nur sich selbst im Blick hat.Wer das Fragen liebt, kann die drei Säulen menschlicher Beziehungen erkennen: Verständigung – Verständlichkeit – Verstehen.
17
In einem Brief schrieb der Dichter Rainer Maria Rilke: «Man muss Geduld haben für das Ungelöste im Herzen und lernen, die Fragen selber lieb zu haben wie verschlossene Stuben oder Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, eines fremden Tages, ohne es zu merken, in die Antworten hinein.»
18
Kreativität in der Methode
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, sagt ein altes Sprichwort. Gemeint ist damit, einen Schritt zurückzutreten, um eine Aufgabe, ein Problem mit Distanz zu betrachten.
19
Im Schatten der Träume
Was sich Wirklichkeit nennt oder so genannt wird, erscheint mir häufig als wechselhafter, flirrender Schatten. Endlich ein gültiges Bild in mir selbst erschaffen, hinter dem verborgene Träume darauf warten, zum Spiegel eines erkannten Lebens zu werden. Distanzierte Betrachtungen lassen Fragen entstehen, die einen veränderten Blick ermöglichen.
20
Narzissmus – Echo der Eitelkeiten
Im gleichnamigen Mythos wird Narziss als ein Mensch dargestellt, der nicht genug davon bekommen kann, seine Schönheit im Spiegel des Wassers zu betrachten. Er verfällt dem Trugbild seiner Selbstverliebtheit und stirbt darüber an gebrochenem Herzen.
21
Fotografie – Momente der Stille
Fotografie ist für mich eine fortdauernde Übung darin, das Jetzt in dem kurzen Moment einer Beobachtung zu finden, die mich in die Gegenwart versetzt. Wer nicht in der Lage ist, sich in diesen Moment hineinzuwerfen, dem entgleitet die Gegenwart, bevor er die Vergangenheit vergessen hat.
22
Nähe und Ferne
In den Jahrzehnten meiner Arbeit als Fotograf entstand die Erkenntnis, dass in der Nähe auch die Ferne eingeschrieben ist. Mir wurde bewusst, wenn ich der Nähe die Ferne nehme, verflacht sie zur Abstandslosigkeit. In einem Liebesgedicht von Paul Celan heißt es: „Du bist so nahe, als weiltest du nicht hier.“ Es klingt paradox. Menschen können intensive Nähe erreichen, wenn sie sich voneinander entfernt fühlen oder voneinander entfernt sind.
23
Stille Bilder – Genauigkeit und Seele
In einem philosophischen Dialog der Antike ging es darum, dass unsere Augen nicht nur Licht aufnehmen, sondern auch Licht aussenden können. Gemeint war damit das bewegte Licht der Seele, das der Energie eines stillen, inneren Bildes, Wirksamkeit verleiht.
24
Poesie – der Gipfel der Seele
Viele Menschen definieren sich selbst und ihre Lebensumstände durch den Glauben an die Erkenntnisse materieller Wirklichkeiten. Wenn es um die Seele des Menschen geht, fragen sie sich, wo sie wohl sein mag, die Seele, oder ob sie nicht einfach eine Erfindung ist. Auch die Menschen, die ohne Glauben an übersinnliche Bestimmungen leben, spüren, wenn es um die letzten Fragen geht, dass sie doch mit dem Geist dieser Bestimmungen in Berührung kommen
25
Anfang des Verschwindens
Eines frühen Morgens, wenn das erste Licht noch fahl durch den Spalt der Gardine schimmert, bleibst du liegen in deinem Bett. Du spürst tief, schmerzlich, mit leiser Furcht, dass du beginnst zu verschwinden.
26
Von Egomanen
Die Unfähigkeit des Zuhörens hat so grandiose Ausmaße, dass ich sie als Normalität akzeptieren muss. Vielleicht werde ich auch mit den Jahren anspruchsvoller. Oder auch ungeduldiger mit einseitigem Smalltalk, fehlendem Dialog, kritikfreiem Kommunizieren.
27
Das Glück der Flucht
Nichts tun zum Glück. Es einfach vergessen. So verblassen die Gründe dafür, sich unglücklich zu fühlen. Was ist das nur? Diese ewige Suche nach einem Zustand des Glücks.
28
Melancholie – eine Lebenshaltung
Melancholische Menschen leben oft in dem Gefühl, im falschen Leben gelandet zu sein. Deswegen die Maske der Melancholie. Wer sein Leben hinter der Maske bewusst und als Individuum leben will, muss in Kauf nehmen, sich in einer Parallelwelt zu bewegen.
29
Einsamer nie
In der Einsamkeit die Abwesenheit von Zeit erfahren. Ohne die üblichen Behauptungen über richtiges und falsches Leben. Wenige Menschen verstehen, dass es Verweigerungen gibt wie die Einsamkeit, die sich nicht auf Verzicht berufen, sondern auf den Reichtum leergelebter Räume.
30
Erfahrungen brauchen Bewegungen
In meiner Arbeit als Fotograf begegnen mir häufig Menschen, die sich auf ihre Erfahrung berufen. Mein Hinweis, dass wir in diesem Leben nichts tun, was nicht auf Erfahrungen beruht, erzeugt oft verdutze Gesichter.
31
Ich bin nicht du – Für Max Frisch
„Ich bin nicht Stiller!“ So beginnt das gleichnamige Buch von Max Frisch. Der Protagonist Anatol Stiller verweigert die ihm zugewiesene Identität. Er will nicht der sein, der er einmal gewesen sein soll.
32
Spiritualität – Für Andrej Tarkowskij
Fromme orthodoxe Christen betrachten Ikonen als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Ebenen andächtiger und geistiger Wirklichkeiten. Sie verstehen sie als Fenster, die einen Ausblick in die Spiritualität ermöglichen.
33
Heimat am Horizont
Heimat existiert als Versprechen darauf, sich an das Vergessen zu erinnern. Erinnerungen bilden sich wie ein wiedergefundenes Puzzle. Die fehlenden Teile werden ergänzt mit den Versatzstücken wohlmeinender Phantasie.
34
Nacht in Arkadien
Während des Fotografierens oder, genauer, beim Fokussieren des entscheidenden Augenblicks, erlebe ich manchmal, doch immer wieder neu, einsame Stille im Sucher meiner Kamera.
35
Unruhe und Einsamkeit – Für Bernado Soares
Unruhe und Einsamkeit haben in ihrem Kern etwas gemeinsam. In beiden Situationen wird Zeit mit dem Bewusstsein erlebt, man selbst und doch ein Anderer zu sein.
36
Land in Sicht – Für Rio Reiser
Im Nirgendwo meiner Gefühle trafen mich seine besten Texte. Seine spröde, manchmal auch zornige Stimme ging mir unter die Haut. In einigen seiner Lieder und Appelle spürte ich meine intensive Seelenverwandtschaft.
37
Mountainbiken – Metapher für mein Leben
Statt mich bei Fingerfood und Prosecco in einer gediegenen Lokalität als Jubilar feiern zu lassen, stehe ich jetzt hier, hoch oben, mit einem grandiosen Blick in die offene Bläue der Mirabellobucht.

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